Viele Hundebesitzer sagen gerne mal: „Mein Hund riecht alles, ich rieche nichts.“ Dieses Gefühl ist verständlich, besonders wenn dein Vierbeiner beim Spaziergang schon fünfmal am selben Grashalm kleben geblieben ist.
Doch das Bild, dass Menschen kaum riechen können, ist zu düster. Hunde sind zwar meistens besser darin, Spuren zu verfolgen und Düfte zu unterscheiden, aber auch Menschen haben ein ordentliches Riechvermögen. Wir nutzen es nur anders, trainieren es weniger und achten seltener bewusst darauf.
Was bedeutet das für das tägliche Wohlbefinden?
Für die meisten Haustiere ist Geruch die wichtigste Sprache. Er hilft ihnen, die Umgebung zu verstehen und sich sicher zu fühlen.
Menschen riechen in der Regel weniger intensiv als Hunde, aber wir können sehr wohl viele Düfte erkennen und unterscheiden – vor allem, wenn wir darauf achten. Für dich als Halter geht es daher nicht darum, wer „gewinnt“, sondern wie du das Schnüffelbedürfnis deines Tieres unterstützen kannst.
Und mindestens genauso wichtig: Wann verraten Veränderungen beim Riechen oder Schnüffeln möglicherweise etwas über Stress oder Gesundheit?
Riechen wir genauso gut wie Hunde?
Ganz allgemein: Nein, Hunde sind meist im Vorteil. Sie sind dafür gebaut, Gerüche aufzunehmen und zu verarbeiten. Das sieht man an ihrem Verhalten (Schnüffeln ist für viele Hunde mindestens so wichtig wie Laufen) und an ihrer Anatomie (große Nasenhöhle, spezielle Luftströme in der Nase, viel Fokus auf Geruchsverarbeitung).
Aber „besser“ ist keine feste Zahl. Riechvermögen besteht aus mehreren Teilen, wie zum Beispiel:
- Empfindlichkeit: Wie wenig von einem Duft reicht aus, um etwas zu bemerken?
- Unterscheidung: Kannst du zwei ähnliche Gerüche auseinanderhalten?
- Erkennung: Kannst du einen Geruch einer Erfahrung zuordnen („das ist mein Mensch“, „das ist Essen“)?
- Aufmerksamkeit und Training: Wie oft nutzt du deine Nase bewusst?
Hunde punkten oft stark bei der Empfindlichkeit und beim Verfolgen von Spuren. Menschen können dagegen überraschend gut im Wiedererkennen und Benennen bestimmter Gerüche sein – besonders, wenn sie uns vertraut sind.
Wir verlassen uns nur meistens mehr auf Augen und Sprache, während ein Hund die Welt vor allem mit seiner Nase „liest“.
Warum Hunde oft besser im Riechen sind
Eine Hundenase ist nicht nur „stärker“, sondern auch anders organisiert. Hunde atmen und riechen auf eine Weise, die das Untersuchen von Gerüchen unterstützt. Bei vielen Hunden hilft der Bau von Schnauze und Nase, Düfte länger festzuhalten und zu analysieren.
Außerdem ist Schnüffeln für Hunde eine Hauptbeschäftigung: Es bedeutet Informationsbeschaffung. Durch Zucht und Training (etwa beim Speuren oder bei der Suche) sind viele Hunde daran gewöhnt, ihre Nase gezielt einzusetzen.
Selbst ohne spezielles Training üben sie jeden Tag: bei jedem Spaziergang, jedem Pfosten und jeder neuen Person.
Menschen üben weniger. Du musst deine Nase nicht nutzen, um den Supermarkt zu finden oder zu entscheiden, ob das Essen „sicher genug“ ist; wir vertrauen auf Verpackung, Datum und Kühlung. Dadurch fühlt sich unsere Nase manchmal weniger verlässlich an, obwohl das oft vor allem eine Frage der Aufmerksamkeit ist.
Worin sind Menschen dann gut beim Riechen?
Menschen können viele Gerüche erkennen, vor allem wenn sie Erfahrung damit haben. Denk an den Unterschied zwischen verschiedenen Kräutern, Kaffeesorten, Blumen oder reifem Obst. Das hat auch eine praktische Seite: Viele Menschen bemerken Brandgeruch, Gas oder verdorbene Lebensmittel schnell und können das sofort einordnen.
Zudem ist Geruch bei Menschen stark mit Erinnerung und Emotion verbunden. Ein bekannter Duft kann in einer Sekunde eine Stimmung hervorrufen oder eine Situation „zurückholen“. Dieser Mechanismus ist nicht einzigartig für Menschen, aber bei uns spielt Sprache eine große Rolle: Wir lernen, Gerüche zu benennen und zu teilen („Riecht das sauer?“). Das macht uns oft besser in der bewussten Geruchserkennung.
Es ist also nicht so, dass Menschen mit Geruch „nichts anfangen können“. Wir nutzen ihn nur auf eine andere Weise als Hunde.
Warum riechen deine Haustiere so viel? Das ist normales Verhalten
Für Hunde ist Schnüffeln normal und gesund. Es ist ihre Art, Zeitung zu lesen: Wer war hier, wie lange ist das her, war der Hund gestresst, lief hier eine Katze, liegt Essen in der Nähe? Schnüffeln kann sogar entspannend wirken.
Ein Spaziergang, bei dem dein Hund viel schnüffeln darf, ist oft mental anstrengender (und dadurch befriedigender) als einer, bei dem nur stramm durchgelaufen wird.
Auch andere Tiere nutzen Geruch intensiv, auch wenn man es nicht immer auf die gleiche Weise sieht:
- Katzen markieren und prüfen Gerüche in Haus und Garten; sie lieben Vorhersehbarkeit in „ihrer“ Geruchswelt.
- Kaninchen nutzen Geruch, um Artgenossen und sichere Orte zu erkennen; in einer neuen Umgebung sieht man oft vorsichtiges Schnüffeln.
- Nagetiere (wie Ratten und Hamster) erkunden mit Nase und Schnurrhaaren; Geruch ist essenziell für die Orientierung.
Wenn dein Tier viel schnüffelt, ist das also nicht gleich Sturheit oder „Ablenkung“. Es ist oft einfach Informationsverarbeitung.
Wann ist viel Schnüffeln ein Signal für Stress?
Schnüffeln kann auch ein Weg sein, Spannungen zu regulieren. Das sieht man besonders bei Hunden: Sie fangen plötzlich extrem intensiv an zu schnüffeln an einer Stelle, wo scheinbar wenig zu riechen ist, gerade wenn etwas Aufregendes passiert. Das nennt man oft eine Übersprungshandlung: Das Tier wählt ein sicheres, vertrautes Verhalten, um mit Druck umzugehen.
Achte in solchen Situationen auf die Kombination der Signale. Schnüffeln als Stress-Signal tritt oft zusammen auf mit:
- einem angespannten Körper oder geduckter Haltung
- Lippenlecken, Gähnen, Wegschauen
- langsamem oder „zögerlichem“ Gehen (sich nicht trauen weiterzugehen)
- Ziehen nach Hause oder völligem Erstarren
Schnüffeln an sich ist also kein Grund zur Sorge; der Kontext macht den Unterschied. Wenn du merkst, dass dein Tier in bestimmten Straßen oder bei bestimmten Hunden „in der Nase verschwindet“ und gleichzeitig Anspannung zeigt, hilft es oft, Abstand zu nehmen, ruhiger zu gehen und deinem Tier mehr Entscheidungsfreiheit zu lassen.
Wann kann weniger oder verändertes Riechen ein Gesundheitssignal sein?
Eine Veränderung im Riechverhalten kann manchmal auf ein körperliches Problem hinweisen, ist aber selten eine Diagnose für sich. Denk lieber in ruhigen Schritten: Was ist genau anders, seit wann, und gibt es noch andere Beschwerden?
Mögliche Signale, die du ernst nehmen solltest, sind zum Beispiel:
- Plötzlich weniger Interesse am Futter bei einem Tier, das sonst gerne frisst (Geruch spielt eine große Rolle beim Appetit).
- Niesen, Ausfluss, Atemnot oder hörbares Atmen, was zu Reizungen oder Entzündungen in Nase/Hals passen kann.
- Ungewöhnlicher Geruch aus Nase oder Maul, der immer wiederkehrt.
- Häufiges Reiben der Schnauze oder Pfote an der Nase, als ob es juckt oder schmerzt.
- Plötzlich ängstlich oder orientierungslos in bekannter Umgebung, besonders bei älteren Tieren (das kann mehrere Ursachen haben).
Siehst du solche Veränderungen oder zweifelst du, weil dein Tier „nicht es selbst“ ist? Dann ist es vernünftig, Kontakt mit deinem Tierarzt aufzunehmen. Nicht, weil du gleich das Schlimmste befürchten musst, sondern weil ein früher Check oft Ruhe gibt – und Probleme manchmal leichter zu lösen sind, wenn man rechtzeitig dabei ist.
Kann ein Hund wirklich „eine Geruchsspur lesen“ wie wir ein Buch lesen?
Nicht wörtlich, aber die Vorstellung hilft, das Verhalten zu verstehen. Während wir vor allem schauen, was jetzt da ist, holt ein Hund Informationen aus dem, was vorher war. Ein Pfosten oder Grashalm ist für uns „einfach ein Pfosten“, aber für deinen Hund kann er eine Zeitlinie sein: Wer kam vorbei, war der Hund gesund, und gibt es hier etwas zu holen?
Das ist auch der Grund, warum Hunde manchmal zu einer ganz bestimmten Stelle zurückwollen. Sie haben dort nicht unbedingt eine „Obsession“; es kann einfach ein Ort mit vielen Informationen sein.
Gerade bei jungen Hunden, Tieren aus dem Tierschutz oder unsicheren Hunden kann Schnüffeln ein Anker sein, um die Welt vorhersehbar zu machen.
Wie riecht dein Tier dich, und was sagt das über eure Bindung?
Für viele Tiere ist dein Geruch Teil ihrer Sicherheit. Dein Duft haftet an deinen Händen, deiner Kleidung und in der Wohnung. Katzen reiben ihren Kopf nicht ohne Grund an Möbeln oder an deinen Beinen: Die Vermischung von Gerüchen spielt eine Rolle für das Gefühl „wir gehören zusammen“.
Bei Hunden siehst du das daran, dass sie Orte suchen, wo dein Geruch hängt: an der Haustür, auf dem Sofa, bei den Schuhen. Das ist meist normal und kann sogar beruhigend wirken.
Ein Thema wird es erst, wenn es mit Unruhe, Zerstörungswut oder Panik beim Alleinsein einhergeht. Dann ist es sinnvoller, das gesamte Verhalten und die Umstände anzuschauen, als nur das Schnüffeln.
Warum du manchmal denkst, dein Tier riecht etwas, das nicht da ist
Dein Tier kann Gerüche wahrnehmen, die für dich zu fein sind oder die durch Wind und Temperatur anders ziehen, als du erwartest. An warmen Tagen steigt Geruch leichter auf; bei Feuchtigkeit oder Kälte bleibt er manchmal dichter am Boden hängen.
Wind kann Geruch in Streifen verwehen: Dein Hund riecht etwas, läuft zwei Meter weiter und riecht es nicht mehr. Das sieht für uns willkürlich aus, ist für die Nase aber logisch.
Auch wichtig: Tiere reagieren nicht nur auf einen einzelnen Geruch, sondern auf Kombinationen. Ein Hund reagiert vielleicht auf einen Mix aus Erde, Urin, Futterresten und dem Geruch eines anderen Hundes. Du riechst vielleicht nur „Gras“.
Kannst du das Riechvermögen deines Hundes (oder anderen Haustiers) unterstützen?
Ja, vor allem indem du natürlichem Verhalten Raum gibst. Das muss nicht kompliziert sein. Ein paar ruhige Anpassungen machen schon einen Unterschied.
Gib Schnüffelzeit beim Spaziergang
Versuch mal, einen Teil des Spaziergangs als „Zeitunglesen“ zu sehen. Lass deinen Hund ab und zu selbst entscheiden, wo er schnüffelt. Bei vielen Hunden senkt das Stress und stärkt das Gefühl von Kontrolle.
Achte aber auf die Sicherheit: An stark befahrenen Straßen oder bei Abfall ist es manchmal besser, weiterzugehen.
Mach aus dem Füttern manchmal ein Suchspiel
Du kannst (ganz ohne spezielles Zubehör) einen Teil des Futters an ein paar einfachen Stellen im Haus oder Garten verstecken, passend zum Charakter deines Tieres. Fang einfach an, damit es ein Erfolgserlebnis wird und kein Frust entsteht.
Bei Katzen und kleinen Säugetieren kannst du das Futter verteilen oder kleine „Suchmomente“ in einer sicheren Umgebung schaffen.
Achte auf Reize und Erholung
Eine Nase, die hart arbeitet, verarbeitet auch viele Informationen. Manche Tiere brauchen nach einem reizvollen Spaziergang mehr Ruhe.
Wenn dein Tier zu Hause unruhig bleibt, kann es helfen, die Reizbelastung zu senken: ruhigere Routen, mehr Abstand zum Trubel oder kürzere Runden mit mehr Schnüffelpausen.
Kannst du dein eigenes Riechvermögen trainieren (und warum solltest du)?
Es kann Spaß machen und nützlich sein, deine eigene Nase bewusster einzusetzen, ohne dich gleich mit der deines Hundes vergleichen zu wollen. Denk an das Erkennen von Blütezeiten, reifem Obst, Schimmel im Haus oder den Unterschied zwischen nassem Fell und einem muffigen Hautgeruch bei deinem Tier.
Praktisch und entspannt anfangen geht so:
- Riech bewusst an ein paar alltäglichen Dingen (Kaffee, Tee, Gewürze) und versuche, Unterschiede zu benennen.
- Achte beim Spaziergang mal auf Gerüche nach dem Regen oder in der Sonne.
- Wenn dein Tier eine Stelle interessant findet, bleib kurz stehen und schau: Was könnte hier sein (andere Hunde, Essen, Wasser, Müll)?
Wenn du selbst besser aufpasst, verstehst du das Verhalten deines Tieres oft schneller. Das macht Spaziergänge ruhiger und vermeidet unnötigen Streit an der Leine.
Häufige Missverständnisse über das Riechen bei Hunden und Menschen
„Mein Hund schnüffelt so viel, also hört er nicht.“
Schnüffeln ist nicht automatisch Ungehorsam. Es kann bedeuten, dass dein Hund Informationen verarbeitet. Du kannst zwar Grenzen setzen (zum Beispiel an gefährlichen Stellen), aber es hilft, Schnüffeln als Grundbedürfnis zu sehen statt als „Ablenkung“.
„Wenn ich nichts rieche, ist da auch nichts.“
Bei Tieren stimmt das oft nicht. Sie nehmen feine Gerüche wahr und reagieren auf Mischgerüche. Wenn dein Tier plötzlich starkes Interesse zeigt, ist das meistens einfach interessante Information.
Bleib aber wachsam bei Müll auf der Straße oder Dingen, die es verschlucken könnte.
„Riechen ist nur was für die Nase.“
Riechen hängt mit Emotionen, Gedächtnis und Sicherheit zusammen. Deshalb kann Geruch auch Einfluss auf das Verhalten haben. Ein neuer Geruch im Haus (Besuch, neue Möbel, Putzmittel) kann manche Tiere unruhig machen.
Ruhiges Gewöhnen und ein sicherer Rückzugsort helfen da oft.
Wann ist es sinnvoll, einen Tierarzt anzurufen?
Es ist vernünftig, Rat einzuholen, wenn dein Tier deutlich anders riecht oder anders auf Gerüche reagiert – und das länger als ein paar Tage anhält oder mit anderen Beschwerden einhergeht. Ruf auch eher an, wenn dein Tier schlecht Luft bekommt, nicht fressen will, Schmerzen zu haben scheint oder dein Bauchgefühl sagt, dass etwas nicht stimmt.
Ein Tierarzt kann helfen einzuschätzen, ob es um etwas Vorübergehendes geht (wie eine Reizung) oder ob man genauer hinschauen muss. Verlässliche Basisinformationen zur Hundenase und Geruchsverarbeitung findest du auch bei der UC Davis School of Veterinary Medicine.
Wie du mit einem guten Gefühl auf das Schnüffelverhalten schauen kannst
Hunde riechen meist besser als Menschen, aber das heißt nicht, dass unsere Nase „schlecht“ ist. Es heißt vor allem, dass wir anders wahrnehmen. Für dein Haustier ist Geruch oft ein Kompass: Er bietet Orientierung, Sicherheit und Spaß.
Gib deinem Tier Raum zum Schnüffeln und achte vor allem auf den Kontext: Entspannung versus Stress, stabiles Verhalten versus deutliche Veränderung. Das ist schon eine starke Basis.
Und wenn sich doch mal etwas ändert, dem du nicht traust, ist es völlig okay, das in Ruhe mit deinem Tierarzt zu besprechen. Oft gibt es eine logische Erklärung – und mit der richtigen Begleitung kehrt die Ruhe meist von ganz allein zurück.
